Zeugnis und Reflektion über das Miteinander in der Gebetswoche zur Einheit der Christen

Inzwischen bin ich seit über 10 Jahren Pastor in der Mennonitengemeinde in Regensburg. Und seit dieser Zeit feiern wir in unserem Regensburger Stadtteil, Burgweinting in der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ einen gemeinsamen ökumenischen Gottesdienst. Wir, das sind die Römisch-Katholische Kirchengemeinde, die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde und die Mennonitengemeinde.

Die Gottesdienstordnung wird seit vielen Jahren jeweils in einem anderen Land von einer ökumenischen Gruppe vorbereitet und dann von einer internationalen ökumenischen Arbeitsgruppe aus Ökumenischem rat der Kirchen und Päpstlichen Rat zur Förderung der Christlichen Einheit bearbeitet und veröffentlicht. Ziel ist immer, Elemente aus den vier Haupttraditionen der Christenheit einfließen zu lassen: Katholisch, Protestantisch, Freikirchlich und Orthodox.

Es gibt in der Regel auch jedes Jahr Vorschläge für Andachten oder Bibelgespräche für die ganze Woche. Die Gebetswoche wird jedes Jahr weltweit entweder vom 18. bis 25. Januar oder von Christi Himmelfahrt bis Pfingsten gefeiert.

Damit der Gottesdienst Ende Januar abwechselnd in einer unserer Kirchen stattfinden kann, treffen wir PfarrerInnen und Pastoren uns Anfang Dezember bei Jemandem zu Hause. Auf Grundlage der von der ACK vermittelten vorbereiteten Unterlagen gestalten wir dann diesen Gottesdienst. In aller Freiheit und mit etwas Abenteuerlust bringen wir eigene Ideen und typisches aus unseren unterschiedlichen Gemeinde-Kulturen mit ein. Je nach Thema und Situation ist es mal eine Gebetsgemeinschaft wie sie in unserer Gemeinde üblich ist, oder Elemente aus der katholischen und/oder lutherischen Liturgie.

In der Regel gehört zu diesen Gottesdiensten eine Predigt. Vertreter der beteiligten Denominationen, Pastoren und Laien, Frauen und Männer, übernehmen die einzelnen Teile der Liturgie. Bei der Predigt wechselt man sich in der Regel von Jahr zu Jahr ab.

In diesem Jahr haben wir uns wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Wir haben den Gottesdienst zu einem Bibelabend umgestaltet. Nach einem Beginn mit Liedern und Gebet wollen wir als drei PfarrerInnen in drei Gruppen die Anwesenden in drei Räume zu einem Bibelgespräch zu jeweils einem anderen Bibeltext einladen. Uns ist im Gespräch diese Idee gekommen, weil wir finden, dass die Bibel mehr Gehör finden und ihre inspirierende Kraft von uns demonstriert werden sollte. Wir werden sehen, wie dieses Experiment gelingen wird.

Die Gottesdienste zeichnen sich durch eine besondere Atmosphäre aus. Ich spüre Freude darüber, dass uns miteinander etwas Besonderes gelungen ist. Und ich spüre ein gewisses Knistern, ja Abenteuerlust, weil wir alle uns auf Elemente einlassen, die wir nicht wirklich kennen. - Doch leider sind diese Gottesdienste noch nicht sehr gut besucht. Vielleicht, weil sie an einem Wochentags-Abend stattfinden, vielleicht haben manche Gemeindeglieder Vorbehalte, oder vielleicht ist unsere Werbung nicht gut genug. In jedem Fall sind wir Gemeindeverantwortlichen motiviert und laden unsere Gemeinden bewusst und intensiv zum Mitfeiern ein.

Dass wir so offen und vertrauensvoll den miteinander den Gottesdiensten immer etwas Besonderes geben können ist meiner Meinung nach ein gelungener Ausdruck unserer gewachsener Beziehung. Mit den Jahren sind weitere Veranstaltungen wie ein Gebetstag von Frauen, eine gemeinsame Kinderbibelwoche und anderes Mehr hinzugekommen. Bereits seit vielen Jahren treffen wir uns sogar ca. alle 6 Wochen in der Dorfeigenen Gaststätte. Dort erzählen wir einander Persönliches, Dienstliches und wie es unserem Stadtteil so geht.

Natürlich kann jeder über die andere Konfession auch kritisches oder sogar fragwürdiges finden. Wir haben für uns beschlossen, dass wir diese kritischen Themen ausblenden. Zu oft wird die Einheit im Bekenntnis zu Christus zur Bibel als das Wort Gottes Lust und Luft genommen durch Streitpunkte, die hinlänglich bekannt sind und die wir doch nicht lösen können.

Folgende Faktoren unterstützen und vertiefen unsere Gemeinschaft als PfarrerInnen. Wir sehen ein, dass es keine perfekte Kirche gibt, dass wir alle unsere Schwachpunkte und Verfehlungen haben. Uns verbindet, dass wir alle sehr gerne in unseren jeweiligen Kirchen sind. Darüber hinaus erleben wir, wie unser Glaube an Christus wächst, indem wir neugierig nachfragen und hinzulernen wollen. So ist zwischen mir und meinem katholischen Kollegen unsere so unterschiedliche Kirchenkultur ein spannendes Dauerthema. Ich bin ins Staunen gekommen, wie sehr in der römisch-katholischen Kirche jeder Gottesdienst, oder zum Beispiel auch die Woche vor Ostern mit all ihren Gottesdienten und Symbolhandlungen durchdacht und durchgestaltet ist. Und Franz (also der katholische Pfarrer) staune über die engagierten Frauen und Männer, Junge und Alte, die in unserer Gemeinde zusammenkommen und ihr Leben teilen.

Meine Gemeinde ist über diesen Weg des Miteinanders mit den anderen Konfessionen froh. Noch vor 50 Jahren wurden Gemeindeglieder, die ihren Ehepartner in einer anderen christlichen Gemeinde fanden ihre Mitgliedschaft entzogen. Später wurden konfessionsverschiedene Paare respektiert, aber sie fühlten sich als „Glieder 2-ter Klasse“. Heute ist dieses Problem überwunden und unser ökumenisches Engagement erleben diese Familien wohltuend, ja heilend.

Nicht zuletzt verbindet uns mit allen christlichen Konfessionen der Schmerz, dass in der Gesellschaft so wenige Menschen sich auf den Glaubensschatz und die Nachfolge Jesu einlassen wollen. Wir empfinden, dass wir in dieser Hinsicht im selben Boot sitzen. Uns verbindet die Sehnsucht, dass Gottes Reich wachsen möge.

Und so ist der Gottesdienst in der Gebetswoche ein Projekt, bei dem wir miteinander um die Anteilnahme unserer Nachbarschaft kämpfen.

—Wilhelm Unger, pastor, Evangelische Freikirche Mennonitengemeinden, Regensburg, Deutschland

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